Tarek Leitner, Augenblicke der Republik

Entlang einer Reihe von Fotos, die Menschen und Ereignisse oft ganz zufällig in einem Geschichtsmoment einfrieren, entfaltet Tarek Leitner unheimlich kenntnisreich und sprachlich gewohnt geschliffen einzelne Aspekte der österreichischen Nachkriegsgeschichte, die sich mosaikhaft zu einem wunderbar bunten Mosaik zusammenfügen. (2025 als Hardcover im Brandstätter Verlag erschienen, 176 Seiten, € 20,99, ISBN 978-3-7106-0892-6)

Lauren Elkin, Fassaden

Ein sehr „anderer“ Text – radikal feministisch, intellektuell und hoch aufgeladen mit der Lacan’schen Theorie der Psychoanalyse geht es um Paare in verschiedenen Zeiten am selben Ort, einer Wohnung im Pariser Belleville. Ein Erzählstrang spielt im Jahr 2019, einer, der mittlere von drei Teilen, im Jahr 1972. Es geht um Liebe und Sexualität und nicht zuletzt um den Kinderwunsch von Paaren und das, was sich zwischen Bewusstem und Unbewussten dazu in Frauen und Männern abspielt. Dazu kommt eine Theorie des Raums sowie die Frage danach, was es bedeutet, in Frankreich jüdische Vergangenheit zu haben. (Übersetzung aus dem Englischen. Erschienen im März 2025 bei Nagel & Kimche, Hardcover, 480 Seiten, € 24,00, ISBN 978-3-312013845)

Eva Strasser, Wildhof

Düsteres Setting mit starker Sogwirkung. Eine junge Frau, die nach Jahren der Abwesenheit das inzwischen von der umgebenden Natur wild umwucherte Haus der Eltern räumen muss, konfrontiert mit den Abgründen ihrer Vergangenheit. Ein Lobgesang auf die heilende Kraft des Waldes und der Elemente. (2025 als Hardcover bei Wagenbach erschienen, 208 Seiten, € 22,70, ISBN 978-3-8031-3373-1)

Katharina Hagena, Flusslinien

Ein Roman, breit wie ein Strom. Wunderbare Verquickung dreier sehr unterschiedlicher Schicksale: Eine 102-Jährige, die in einer Hamburger Seniorenresidenz lebt, direkt an der Elbe und am Römischen Garten, ihren jungen Fahrer, der sie täglich in den Garten und an den Fluss führt, sowie ihre achtzehnjährige Enkelin Luzie. Margrit, die alte Dame, war Stimmbildnerin von Beruf – so gibt es im Text ganz wundervolle Passagen über das Atmen und die Stimme. Arthur, ihr Fahrer, erfindet neben seiner Arbeit in der Seniorenresidenz Kunstsprachen, die er an Spiel- und Filmfirmen verkauft, wohnt direkt in einer Stelzenhütte am Elbstrand, war früher Taucher und ist jetzt noch Mitglied im deutschen Naturschutzbund. So erfährt man durch ihn viel über Sprache, aber auch über Meere und Flüsse. Luzie, ihre Enkelin, hat kurz vor dem Abitur die Schule abgebrochen und will als Tätowiererin arbeiten, ist tatsächlich künstlerisch außerordentlich begabt, hat jedoch ein Trauma zu verarbeiten und findet erst ganz am Schluss der Erzählung wieder richtig ins Leben zurück. (Erschienen im Hardcover 2025 bei Kiepenheuer & Witsch, 400 Seiten, € 24,70, ISBN 978-3-462-00729-9)